„Punkte verschenkt“ – das Gefühl kennt man als Bayer-Fan. Da führst du nach acht Minuten mit 2:0, die Party zum 120-jährigen Jubiläum läuft, und am Ende gehst du doch nur mit einem Punkt vom Platz. Gegen Holstein Kiel. Einen Aufsteiger. Zu Hause. In der BayArena, die ausverkauft ist und die Atmosphäre eigentlich so wunderbar euphorisch. Aber irgendwie war da wieder dieses flaue Gefühl im Magen, das man als Leverkusen-Anhänger nur zu gut kennt: Die Tendenz, aus sicheren Siegen plötzlich Wackelpartien zu machen.
Die ersten Minuten waren traumhaft. Boniface und Hofmann netzten ein, Palacios – der Argentinier, der an seinem Geburtstag mal eben den Taktstock schwang – bereitete beide Tore vor. 2:0, alles sah nach einem entspannten Nachmittag aus, nach einem weiteren souveränen Sieg für Xabi Alonso in seinem 100. Spiel an der Seitenlinie. Doch anstatt Kiel danach endgültig den Stecker zu ziehen, ließ man die Gäste wieder zurück ins Spiel finden. Warum? Ja, das fragen wir uns als Fans auch. „Unkonzentriert“, sagte Hradecky. „Nicht intelligent genug“, meinte Alonso. Was auch immer es war, es fühlte sich an, als hätte man den Schalter umgelegt – nur leider in die falsche Richtung.
Und dann, kurz vor der Halbzeit, fiel dieser Anschlusstreffer. Geschwill köpfte nach einer Ecke – ein typisches Bayer-Tor, wenn man ehrlich ist. Standard-Gegentreffer, da schütteln sich die Leverkusener seit Jahren gegenseitig die Köpfe. Und was machen die Störche? Sie kommen zurück. Nicht mit wilder Offensive, sondern einfach nur durch Beharrlichkeit. Kiel hat gekämpft, das muss man ihnen lassen. Aber es war ja nicht so, als ob sie uns an die Wand gespielt hätten. Es war vielmehr Bayer 04, das sich selbst in Schwierigkeiten brachte. Chancen gab es genug, aber das Tor? Fehlanzeige. Und dann war da noch dieser Elfmeter. Frimpong brachte Gigovic zu Fall, Arp verwandelte sicher. Auf einmal stand es 2:2, und wir Fans fragten uns: „Das passiert doch nicht wirklich, oder?“ Doch, es passierte. Mal wieder.
Das Bittere an diesem Unentschieden ist nicht nur der Punktverlust. Es war ein Tag zum Feiern: 120 Jahre Bayer 04, Xabis 100. Spiel, volle Hütte – und doch bleibt am Ende dieses schale Gefühl. Nicht weil Kiel so stark war, sondern weil man sich selbst geschwächt hat. Hradecky sprach von „verschenkten Punkten“, und ja, das trifft es. Man fragt sich, warum wir nach einer so dominanten Anfangsphase plötzlich aufhören, Fußball zu spielen. Warum lässt man den Gegner wiederkommen, anstatt den Deckel draufzumachen?
Natürlich, es gibt auch Positives: Palacios’ starke Rückkehr in die Startelf, Boniface, der wieder trifft, und die Erkenntnis, dass diese Mannschaft spielerisch auf einem hohen Niveau agiert. Aber das allein reicht eben nicht, um solche Spiele zu gewinnen. Es braucht mehr – Konstanz, Cleverness, ein bisschen mehr Kaltblütigkeit vielleicht. Denn wenn man den Anspruch hat, Meister zu werden oder zumindest oben mitzuspielen, dann darf man ein Spiel wie dieses nicht aus der Hand geben.
Und so sitzen wir Fans wieder hier, mit gemischten Gefühlen. Einerseits wissen wir, wie gut diese Mannschaft ist. Andererseits wissen wir auch, wie sie sich manchmal selbst im Weg steht. Klar, es gibt jetzt die Länderspielpause und danach Eintracht Frankfurt, ein weiteres Heimspiel. Und vielleicht hilft uns diese kleine Unterbrechung, den Kopf wieder freizukriegen. Aber eines bleibt sicher: Wenn Bayer 04 in dieser Saison wirklich ganz oben mitspielen will, müssen sie lernen, solche Spiele nach Hause zu bringen.
Niemals Meister (tut zwar weh) - ein Blog als Fan von Bayer 04
Sonntag, 6. Oktober 2024
120 Jahre Bayer – und dann sowas: Wenn der Aufsteiger die Party crasht
Mittwoch, 2. Oktober 2024
Mailand oder Madrid – Hauptsache ein Champions-League-Sieg!
Es ist wieder soweit: die Champions League hat Einzug in die BayArena gehalten. Und wie! Ein 1:0 gegen den AC Mailand, vor ausverkauftem Haus, bei bester Flutlicht-Atmosphäre. Es gibt doch kaum etwas Schöneres als die „Königsklasse“ in Leverkusen, wenn unsere Jungs den großen Namen Europas zeigen, dass man in der „kleinen“ Bayer-Stadt ganz groß aufspielen kann.
Aber mal ehrlich: Ein 1:0? Gefühlt hätten wir zur Halbzeit schon locker mit zwei, drei Toren führen müssen. Der ein oder andere Bayer-Fan dürfte sich wohl zwischendurch gefragt haben, warum wir es uns mal wieder selbst so schwer machen. Der Fußballgott scheint es bei uns irgendwie immer spannend halten zu wollen. Denn wer die Werkself kennt, weiß: eine klare Führung gibt es hier selten ohne das obligatorische Nervenflattern. Doch diesmal, das muss man sagen, gab es zumindest keinen totalen Herzinfarkt – auch wenn Theo Hernandez in der Schlussphase mit seinem Lattentreffer für einen kurzen Moment das kollektive Luftholen im Stadion verursacht hat.
Taktisch war das Spiel wie aus dem Lehrbuch. Xabi Alonso scheint die Truppe wirklich auf ein Level gehoben zu haben, das uns lange gefehlt hat. Geduldig wurde der AC Mailand ausgehebelt, mal mit den typisch schnellen Seitenwechseln, mal mit Bällen in die Tiefe. Gerade Aleix Garcia hat da für viele den Unterschied gemacht – der Typ hat Augen im Hinterkopf. Die Art und Weise, wie er die Pässe auf Frimpong und Co. rausgehauen hat, war schlichtweg eine Augenweide. Er ist ja auch der Mann, der den entscheidenden Pass auf Grimaldo spielt, bevor Frimpong zum Abschluss kommt und Boniface eiskalt abstaubt. Ein Tor, das zeigt: Wir können nicht nur schöne Tore schießen, sondern auch im Stile einer Spitzenmannschaft dann da sein, wenn's mal hässlich werden muss.
Über Boniface braucht man kaum noch Worte verlieren. Der Junge macht einfach Spaß. Kaum zu glauben, dass er sein erstes Champions-League-Tor überhaupt erst geschossen hat. Aber irgendwie hat man bei ihm das Gefühl, dass da noch viele weitere kommen werden – vor allem, wenn er weiter so eiskalt bleibt. Denn genau solche Stürmer braucht es in Europa. Kein Firlefanz, keine unnötigen Dribblings – Ball rein, Abgang, fertig.
Klar, gegen Ende kam dann wieder dieser Moment, den wir Bayer-Fans nur allzu gut kennen: Rückzug in die eigene Hälfte, der Gegner wird stärker, wir zittern. Warum das immer sein muss, weiß wohl nur der Fußballgott. Aber diesmal haben wir es durchgezogen. Hradecky war wieder mal da, wenn er gebraucht wurde, und die Verteidigung stand, auch wenn die Italiener am Schluss nochmal alles reingeworfen haben. Genau das ist eben der Unterschied, den man bei uns in der letzten Saison noch oft vermisst hat. Früher hätte es womöglich noch den Ausgleich gegeben, diesmal blieb es beim knappen Sieg. Wachsen wir etwa doch noch zu einer Mannschaft heran, die solche knappen Kisten über die Zeit bringt? Es sieht fast so aus. Alonso hat es offensichtlich geschafft, aus der Werkself ein Team zu formen, das auch in der Champions League vor keinem Gegner Angst haben muss. Und wenn es weiter so läuft, dann wird die BayArena in dieser Saison noch die eine oder andere magische Nacht erleben. Denn eines ist klar: Diese Mannschaft hat das Zeug dazu, uns noch einige solcher Abende zu bescheren.
Aber jetzt richten wir den Blick erstmal wieder auf die Bundesliga. Holstein Kiel steht vor der Tür, und nach der Champions-League-Euphorie heißt es: Bodenständig bleiben! Denn wir kennen das ja: In der Bundesliga sind solche Spiele gerne mal Stolpersteine. Trotzdem – mit der Form und der Mannschaft dürfte auch gegen den Aufsteiger nichts anbrennen. Mal sehen, ob Boniface seinen Lauf fortsetzt.
Sonntag, 29. September 2024
Bayer trotzt den Bayern
Ein Unentschieden in der Allianz Arena – da jubeln normalerweise nur die Münchner. Doch nach dem 1:1 gegen den Rekordmeister am vergangenen Samstag dürften die meisten Leverkusen-Fans das Ergebnis mit einem breiten Grinsen aufgenommen haben. Warum? Weil das Team von Xabi Alonso nicht nur einfach einen Punkt mitgenommen hat, sondern einmal mehr bewiesen hat, dass die Werkself unter dem Spanier gereift ist.
„Wer Bayern schlagen will, muss verteidigen können“, sagte einst ein kluger Kopf. Und genau das tat Bayer 04. Vom Anpfiff weg war klar, dass Alonso den Matchplan darauf ausgelegt hatte, die Münchner Offensive in Schach zu halten – mit viel Disziplin, Kampfgeist und einer gehörigen Portion Mut. Denn nur defensiv zu stehen, reicht gegen die Bayern bekanntlich nicht. Doch die Werkself zeigte, dass sie den Spagat zwischen einem kompakten Abwehrverhalten und gelegentlichen Nadelstichen beherrscht.
Dass Robert Andrich in der 31. Minute bei der ersten echten Leverkusener Torchance eiskalt zuschlug, war kein Zufall. Eine Ecke, ein cleveres Abspiel von Xhaka, ein präziser Abschluss – das war pure Effizienz. Dass Bayerns Aleksandar Pavlovic nur acht Minuten später mit einem Distanzschuss antwortete, zeigte, dass die Bayern auch an diesem Abend ihre individuelle Klasse ausspielen konnten. Aber was danach passierte, war das eigentlich Beeindruckende: Bayern rannte an, Leverkusen verteidigte. Und das mit einer Konsequenz, die man bei der Werkself nicht immer gewohnt war.
Mal ehrlich, das war kein Leckerbissen für Fußball-Romantiker. Aber genau solche Spiele sind es, die eine Mannschaft auf das nächste Level bringen. Die Leverkusener wussten, dass sie an diesem Tag nicht viel Ballbesitz haben würden (31 Prozent), aber sie machten das Beste daraus. Es war nicht das zauberhafte Offensivspektakel, das wir von Bayer 04 in dieser Saison schon mehrfach gesehen haben – aber es war ein Spiel, in dem die Werkself ihre defensiven Hausaufgaben machte. Ein Punkt in München ist eben auch ein Zeichen dafür, dass dieses Team gereift ist.
Xabi Alonso brachte es auf den Punkt: „Wir waren bereit zu leiden.“ Genau das zeichnet erfolgreiche Teams aus – das Wissen, dass man nicht immer glänzen muss, sondern manchmal einfach nur funktionieren. Und das tat Bayer 04. Auch wenn die Münchner zweimal den Pfosten trafen und mehr Ballbesitz hatten – am Ende zählte das Ergebnis. Und das liest sich mit 1:1 eben ziemlich gut aus Leverkusener Sicht.
Noch vor wenigen Jahren hätte man solche Spiele verloren. Gerade in München, wo man regelmäßig unter die Räder kam. Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Bayer 04 hat es nun vier Mal in Folge geschafft, gegen die Bayern in der Bundesliga ungeschlagen zu bleiben. Das ist nicht nur eine Statistik, die gut aussieht, sondern vor allem ein Beleg dafür, dass in Leverkusen endlich etwas zusammenwächst. Ein Team, das auch in den großen Spielen bestehen kann. Ein Team, das auch mal die Zähne zeigt und nicht nur auf sein feines Füßchen vertraut.
Natürlich darf man sich nach einem Punkt in München nicht in den Himmel loben, aber es scheint, als ob Xabi Alonso eine klare Idee verfolgt. Stabilität und Effizienz sind zwei Tugenden, die Bayer 04 lange gefehlt haben. Klar, es gibt immer noch Luft nach oben – das sagen auch die Spieler selbst, wie Granit Xhaka es nach dem Spiel treffend formulierte. Aber wenn man gegen die Bayern bestehen kann, dann darf man auch mal zufrieden sein.
Mit dem Punkt im Gepäck kann sich die Werkself jetzt auf die kommende Aufgabe konzentrieren: Der AC Mailand kommt nach Leverkusen! In der Champions League wird ein anderes Spiel auf dem Programm stehen, aber eines bleibt sicher: Bayer 04 hat gezeigt, dass sie bereit sind, auch in den ganz großen Spielen abzuliefern. Es wird spannend zu sehen, wie die Mannschaft am Dienstag auftreten wird.
Fazit: Der Punkt in München war ein hart erkämpfter und gleichzeitig ein verdienter. Mit Stabilität und Effizienz hat sich Bayer 04 in die Riege der ernsthaften Bayern-Jäger eingereiht. Und das mit Stil.
Montag, 23. September 2024
Ein Eigentor und sieben Treffer – Wenn die Defensive Urlaub macht
Es gibt Spiele, die das Herz höherschlagen lassen. Und dann gibt es Partien wie das 4:3 von Bayer 04 gegen den VfL Wolfsburg – eine Achterbahnfahrt für die Nerven und ein wilder Ritt zwischen Freude und Frust. Als Bayer-Fan hat man ja schon einiges erlebt, aber an diesem Spieltag war die Werkself besonders kreativ, sowohl im Tore schießen als auch im Verteidigen, oder besser: im Nicht-Verteidigen.
Ein kurioses Eigentor von Neuzugang Nordi Mukiele in der fünften Minute setzte den Ton für das Spektakel, und das in seinem Startelf-Debüt. Willkommen in Leverkusen, Nordi! Doch der Ausrutscher wurde schnell weggesteckt, denn Florian Wirtz und Jonathan Tah sorgten für die zwischenzeitliche Führung, bevor es mal wieder knüppeldick kam. Denn wie es bei Bayer oft so läuft, folgte prompt der nächste Rückschlag: Zwei Gegentore noch vor der Halbzeitpause. Statt mit einer komfortablen Führung in die Kabine zu gehen, fand sich die Werkself plötzlich in einem 2:3-Rückstand wieder.
Wie man in Leverkusen jedoch weiß, gibt man niemals auf. Trainer Xabi Alonso zückte in der Pause die richtigen Karten, brachte frische Kräfte und bewies erneut ein goldenes Händchen. Piero Hincapie egalisierte nur wenige Minuten nach Wiederanpfiff, und es war, als ob die Mannschaft plötzlich wieder Vertrauen in ihr Spiel fand. Doch eine Frage bleibt bestehen: Wie oft will sich Bayer in dieser Saison noch selbst in die Bredouille bringen?
Denn die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Neun Gegentore nach vier Spielen. Das ist für eine Mannschaft, die in der letzten Saison gerade einmal 24 Gegentreffer in 34 Spielen kassierte, ein deutlicher Weckruf. Nicht nur Granit Xhaka, sondern auch die Fans sehen es kritisch, wenn man zwar im Angriff glänzt, aber hinten Löcher wie ein Schweizer Käse aufweist. Der Vergleich mit der letztjährigen Meister-Abwehr ist beinahe schmerzhaft. Wo einst Stabilität und taktische Disziplin herrschten, ist nun Verunsicherung und Leichtsinn eingezogen.
Dass die Offensive trotz allem nicht müde wird, sich die drei Punkte zu erkämpfen, ist der große Lichtblick in dieser Saison. Vor allem Neuzugang Victor Boniface, der mit seinem Last-Minute-Treffer die Fans in der BayArena erneut in Ekstase versetzte, zeigt, dass er nicht nur Tore schießen kann, sondern auch Nerven aus Stahl besitzt. Es war sein mittlerweile drittes wichtiges Tor in den Schlussminuten in dieser noch jungen Saison – ein echter Joker im Ärmel von Xabi Alonso. Doch während die Fans über die späte Erlösung jubelten, machte sich bei vielen ein ungutes Gefühl breit: Mit einer solchen Abwehrleistung wird es gegen die kommenden Gegner – allen voran Bayern München – schwer werden.
Natürlich ist es schön, wenn die Offensive blendend funktioniert. Spieler wie Florian Wirtz oder Patrik Schick sorgen regelmäßig für magische Momente, die einen aus den Sitzen reißen. Aber wenn hinter ihnen die Verteidigung derart wackelt, muss man sich fragen, wie lange dieser Drahtseilakt gut geht. Schon gegen RB Leipzig gab es drei Gegentore – nun wieder gegen Wolfsburg. Man hat das Gefühl, dass in Leverkusen noch immer keine richtige Balance gefunden wurde. Die Dominanz im Ballbesitz und die Kreativität nach vorne stehen im Gegensatz zur anfälligen Defensive, die sich regelmäßig selbst ins Abseits manövriert.
Was also tun? Xabi Alonso und seine Mannschaft stehen nun vor einer entscheidenden Phase. Mit dem anstehenden Auswärtsspiel beim FC Bayern München und dem Champions-League-Duell gegen AC Mailand warten zwei echte Prüfsteine. Die Zeit für Experimente ist vorbei. Leverkusen muss sich defensiv stabilisieren, will man nicht Gefahr laufen, in diesen Partien gnadenlos ausgekontert zu werden. Der Schlüssel wird darin liegen, das richtige Gleichgewicht zwischen Angriffslust und Abwehrdisziplin zu finden. Einfach wird das sicher nicht – aber wer Bayer 04 kennt, weiß, dass diese Mannschaft zu Überraschungen fähig ist.
Bis dahin bleibt den Fans nur die Hoffnung, dass die Werkself im Spiel gegen den Rekordmeister eine Reaktion zeigt. Vielleicht bringt die Aussicht auf ein großes Spiel ja auch die nötige Schärfe in der Defensive zurück. Eines ist jedenfalls sicher: Spannend wird es. Aber vielleicht wäre ein etwas ruhigeres Spiel fürs Nervenkostüm auch mal ganz angenehm.
Freitag, 20. September 2024
Hexenkessel abgebrannt: Wie Bayer 04 in Rotterdam nicht nur die Stimmung, sondern auch Feyenoord zerstörte
Es war ein Champions-League-Abend, der aus Leverkusener Sicht kaum perfekter hätte laufen können. Schon im Vorfeld hatte das Spiel bei Feyenoord Rotterdam einiges versprochen: Ein berüchtigtes Stadion, in dem die Fans lautstark feiern und eine Mannschaft, die in der Eredivisie Jahr für Jahr zu den Topteams gehört. Doch was die Leverkusener Werkself an diesem Abend auf den Platz zauberte, ließ selbst die enthusiastischsten Feyenoord-Fans verstummen – und das schon nach fünf Minuten.
Das Aufeinandertreffen im De Kuip, jenem Kessel aus Beton und Bass, begann genau so wie erwartet: Lautstark, intensiv und mit dem Gefühl, dass Feyenoord hier den Ton angeben würde. Doch da hatten die Niederländer die Rechnung ohne Bayer 04 gemacht. Statt unter dem Druck des Hexenkessels einzubrechen, spielte die Mannschaft von Xabi Alonso so, als wäre sie völlig immun gegen den Lärm. Gleich zu Beginn übernahm ein Mann das Zepter, auf den man bei Leverkusen ohnehin stets seine Hoffnungen setzt: Florian Wirtz.
Mit seiner Spielfreude und Coolness war er es, der den niederländischen Pokalsieger frühzeitig schockte. Schon nach fünf Minuten ließ Wirtz den Ball ins Netz zappeln und dämpfte die rot-weiße Euphorie erheblich. Es sollte nicht sein einziger Auftritt bleiben – denn während Feyenoord sich noch von diesem Schock zu erholen versuchte, drehte Leverkusen erst richtig auf.
Wirtz' Geschichte an diesem Abend war eine, wie sie sich kaum besser hätte schreiben lassen. Für ihn war es das erste Spiel in der Champions League – eine Bühne, auf der er lange hatte mitmischen wollen, aber durch Verletzungen ausgebremst wurde. Umso mehr brannte er darauf, zu zeigen, dass er nicht nur ein Versprechen für die Zukunft ist, sondern bereits im Hier und Jetzt auf Top-Niveau glänzen kann. Mit seinem zweiten Treffer in der 36. Minute schrieb er sogar deutsche Fußballgeschichte. Noch nie zuvor hatte ein deutscher Spieler bei seinem Champions-League-Debüt doppelt getroffen. Es war ein Abend, an dem Wirtz nicht nur Rotterdam, sondern auch das Geschichtsbuch eroberte.
Doch es wäre zu einfach, den Erfolg allein auf Wirtz zu reduzieren. Die gesamte Mannschaft zeigte eine Effizienz, die man in der Champions League braucht, um weit zu kommen. Leverkusen nutzte nahezu jede sich bietende Chance – und das mit einer Kaltblütigkeit, die Feyenoord den Glauben an ein Comeback nahm. Alejandro Grimaldo und ein Eigentor des bedauernswerten Timon Wellenreuther sorgten dafür, dass es zur Halbzeit bereits 4:0 stand.
Interessant ist, wie diese Partie den aktuellen Kurs von Bayer Leverkusen widerspiegelt. Unter Xabi Alonso hat sich die Werkself zu einem Team entwickelt, das nicht nur attraktiv und offensiv spielt, sondern gleichzeitig enorm effizient ist. In der Bundesliga mischt man schon seit Saisonbeginn ganz vorne mit, und in der Champions League scheint man ebenfalls bereit zu sein, die großen Gegner herauszufordern. Es war nicht nur ein Sieg, sondern ein Statement.
Auch wenn die zweite Hälfte deutlich ruhiger verlief und die Leverkusener das Spiel nur noch verwalteten, hatte Feyenoord in keiner Phase die Chance, das Ruder herumzureißen. Selbst kleinere Offensivbemühungen wurden von der Leverkusener Abwehr und Keeper Lukas Hradecky souverän entschärft.
Was dieser Sieg aber auch zeigt, ist die Tiefe des Kaders. Spieler wie Aleix Garcia und Jeanuel Belocian bekamen ihre ersten Minuten auf der großen europäischen Bühne und fügten sich nahtlos ins Spiel ein. Es scheint, als hätte Bayer 04 in dieser Saison nicht nur elf starke Spieler, sondern einen Kader, der auf jeder Position doppelt besetzt ist und selbst in intensiven Phasen wie der Champions League und Bundesliga voll konkurrenzfähig bleibt.
Jetzt, nach diesem perfekten Start, richtet sich der Blick bereits auf den nächsten Gegner: AC Mailand. Ein Klassiker im europäischen Fußball. Und während die Werkself sich auf die Italiener vorbereitet, wartet in der Bundesliga noch der VfL Wolfsburg und ein brisantes Spitzenspiel gegen den FC Bayern München. Doch nach diesem Auftritt in Rotterdam dürfte klar sein: Bayer 04 Leverkusen ist in dieser Saison eine Mannschaft, die Großes erreichen kann – egal, wie heiß der Hexenkessel auch sein mag.
Sonntag, 15. September 2024
Boniface-Doppelpack und die Kunst, ein Spiel locker auszukicken
Bayer Leverkusen ist zurück auf der Erfolgsspur, und das mit einem souveränen 4:1-Auswärtssieg gegen Hoffenheim. Nach der Niederlage gegen Leipzig vor der Länderspielpause hätte man vermuten können, dass die Werkself vielleicht noch ein bisschen angeknackst auftritt, aber das Gegenteil war der Fall. Victor Boniface, mittlerweile so etwas wie der Torgarant der Mannschaft, lieferte mit zwei Treffern und einer Vorlage eine Leistung ab, die das Prädikat "meisterlich" verdient. Man könnte fast sagen, Boniface macht in dieser Saison so etwas wie einen „Doppelpack zum Lebensstil“.
Schon früh zeichnete sich ab, dass Bayer in diesem Spiel nichts anbrennen lassen würde. Martin Terrier, einer der Neuzugänge, eröffnete den Torreigen mit einem schönen Treffer nach Vorarbeit von – natürlich – Boniface. Dabei musste der VAR kurz eingreifen, um das Tor wegen einer vermeintlichen Abseitsstellung zu überprüfen, aber am Ende zählte der Treffer und Bayer war auf Kurs. Die erste Halbzeit verlief insgesamt in einem sehr dynamischen Tempo. Leverkusen kontrollierte das Spiel und ließ Hoffenheim nur selten wirklich zur Entfaltung kommen. Zwar gelang Mergim Berisha noch der Anschlusstreffer, doch wirklich bedrohlich wurde es für die Werkself nie.
In der zweiten Hälfte schaltete Bayer zunächst einen Gang zurück, aber das reichte immer noch, um die Kontrolle zu behalten. Als Florian Wirtz dann im Strafraum zu Fall gebracht wurde und den fälligen Elfmeter selbst verwandelte, war der Widerstand der Kraichgauer endgültig gebrochen. Nur drei Minuten später legte Boniface noch einmal nach und schoss das 4:1, was die Partie endgültig entschied. Das war nicht nur der zweite Treffer des Nigerianers, sondern auch das Signal, dass Bayer den Gegner spätestens jetzt in der Tasche hatte.
Auch abseits der Torjägerliste gab es positive Nachrichten: Neuzugang Nordi Mukiele durfte sein Debüt feiern und machte seine Sache in den letzten Minuten des Spiels ordentlich. Terrier, der mit seinem ersten Bundesligator glänzte, fügt sich ebenfalls immer besser in die Mannschaft ein. Mit dieser Breite im Kader dürfte Leverkusen in dieser Saison noch für einige Überraschungen gut sein. Xabi Alonso scheint es jedenfalls gelungen zu sein, nach der Niederlage gegen Leipzig die richtigen Hebel umzulegen. Sein Team wirkte fokussiert, strukturiert und zeigte kaum Schwächen, abgesehen von einigen Wacklern kurz vor der Pause.
Statistisch ist der Sieg in Sinsheim ein weiterer Meilenstein: Die Werkself ist nun seit 19 Auswärtsspielen ungeschlagen, was beeindruckend genug ist, um sogar Bayern-Fans ein anerkennendes Nicken zu entlocken. Es war zudem das erste Mal, dass Bayer in einer Bundesligasaison mit zwei Auswärtssiegen startete. Victor Boniface ist auf dem besten Weg, in den kommenden Wochen und Monaten das Gesicht der Leverkusener Offensive zu werden – wenn er das nicht schon längst ist. Mit seinen zwei Toren und der Vorlage in Sinsheim hat er gezeigt, dass er für die Gegner brandgefährlich ist.
Die nächsten Herausforderungen lassen nicht lange auf sich warten. Schon am Donnerstag geht es in der Champions League gegen Feyenoord Rotterdam, und am Sonntag wartet der VfL Wolfsburg in der Bundesliga. Eines ist sicher: Mit einer Leistung wie gegen Hoffenheim braucht sich Bayer weder in Europa noch in der Liga verstecken. Wenn Boniface und Co. weiter in dieser Form auflaufen, könnte diese Saison ein ganz besonderes Kapitel in der Vereinsgeschichte werden. Leverkusen hat sich eindrucksvoll zurückgemeldet – und das könnte erst der Anfang sein.
Sonntag, 1. September 2024
462 Tage später: Leipzig zerschlägt die Werkself-Serie
Es hätte so schön weitergehen können! Bayer 04 war seit über einem Jahr ungeschlagen in der Bundesliga, doch Leipzig kam vorbei und beendete die Serie nach 462 Tagen – natürlich mit einem dramatischen 2:3. Dieses Aufeinandertreffen mit RB Leipzig entwickelte sich, wie erwartet, wieder zu einem Spektakel. Im dritten Duell in Folge fielen fünf Tore, diesmal allerdings zum Leidwesen der Werkself-Fans, denn die Sachsen waren nach einem 0:2-Rückstand einfach abgezockter.
Der Beginn des Spiels sah vielversprechend aus. Bayer 04 legte furios los, und Jeremie Frimpong schoss in der 39. Minute zur verdienten Führung ein. Alejandro Grimaldo legte kurz darauf mit einem präzisen Abschluss nach – 2:0 zur Halbzeit! Doch bevor die Pausenlimo ausgepackt werden konnte, hatte Kevin Kampl etwas dagegen und verkürzte in der Nachspielzeit. Diese Szene sollte noch Folgen haben.
Die zweite Halbzeit? Ein Alptraum für die Leverkusener Fans. Leipzig kam mit ordentlich Dampf aus der Kabine und setzte die Werkself zunehmend unter Druck. Erst erzielte Lois Openda den Ausgleich, und dann ließ er auch noch das Siegtor folgen. Ein Doppelschlag, der Bayer den ersten Liga-Dämpfer seit Ewigkeiten beschert hat. Der erhoffte Ausgleich? Fehlanzeige, trotz aller Bemühungen.
Trainer Xabi Alonso analysierte nüchtern: „Nach dem 2:0 haben wir die Kontrolle verloren und Leipzig zu viel Raum gegeben.“ Genau hier lag der Knackpunkt – die Defensive, sonst so stabil, war gegen die Leipziger Offensive löchrig wie ein Schweizer Käse. Jonathan Tah sprach es klar an: „Wir haben in einigen Situationen geschlafen.“ In der Bundesliga kann man sich solche Blackouts einfach nicht leisten, vor allem nicht gegen einen Gegner wie Leipzig, der Fehler eiskalt bestraft.
Die Zahlen nach dem Spiel: 62 Prozent Ballbesitz, 26:8 Torschüsse und 18:2 Ecken zugunsten von Bayer 04. Das klingt nach einem klaren Sieg – wenn Fußball doch nur so einfach wäre! Doch all diese Dominanz brachte am Ende nichts, wenn man den Gegner in den entscheidenden Momenten gewähren lässt.
Jetzt heißt es erstmal Durchatmen. Die erste Länderspielpause der Saison steht an, Zeit für die Werkself, die Wunden zu lecken. Einige Spieler werden für ihre Nationalteams im Einsatz sein, während Xabi Alonso den Rest des Kaders auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Am 14. September geht es dann nach Sinsheim zu Hoffenheim – eine Chance, den Fehlstart direkt zu korrigieren und die Erfolgsserie neu zu starten.