Montag, 23. September 2024

Ein Eigentor und sieben Treffer – Wenn die Defensive Urlaub macht

Es gibt Spiele, die das Herz höherschlagen lassen. Und dann gibt es Partien wie das 4:3 von Bayer 04 gegen den VfL Wolfsburg – eine Achterbahnfahrt für die Nerven und ein wilder Ritt zwischen Freude und Frust. Als Bayer-Fan hat man ja schon einiges erlebt, aber an diesem Spieltag war die Werkself besonders kreativ, sowohl im Tore schießen als auch im Verteidigen, oder besser: im Nicht-Verteidigen.

Ein kurioses Eigentor von Neuzugang Nordi Mukiele in der fünften Minute setzte den Ton für das Spektakel, und das in seinem Startelf-Debüt. Willkommen in Leverkusen, Nordi! Doch der Ausrutscher wurde schnell weggesteckt, denn Florian Wirtz und Jonathan Tah sorgten für die zwischenzeitliche Führung, bevor es mal wieder knüppeldick kam. Denn wie es bei Bayer oft so läuft, folgte prompt der nächste Rückschlag: Zwei Gegentore noch vor der Halbzeitpause. Statt mit einer komfortablen Führung in die Kabine zu gehen, fand sich die Werkself plötzlich in einem 2:3-Rückstand wieder.

Wie man in Leverkusen jedoch weiß, gibt man niemals auf. Trainer Xabi Alonso zückte in der Pause die richtigen Karten, brachte frische Kräfte und bewies erneut ein goldenes Händchen. Piero Hincapie egalisierte nur wenige Minuten nach Wiederanpfiff, und es war, als ob die Mannschaft plötzlich wieder Vertrauen in ihr Spiel fand. Doch eine Frage bleibt bestehen: Wie oft will sich Bayer in dieser Saison noch selbst in die Bredouille bringen?

Denn die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Neun Gegentore nach vier Spielen. Das ist für eine Mannschaft, die in der letzten Saison gerade einmal 24 Gegentreffer in 34 Spielen kassierte, ein deutlicher Weckruf. Nicht nur Granit Xhaka, sondern auch die Fans sehen es kritisch, wenn man zwar im Angriff glänzt, aber hinten Löcher wie ein Schweizer Käse aufweist. Der Vergleich mit der letztjährigen Meister-Abwehr ist beinahe schmerzhaft. Wo einst Stabilität und taktische Disziplin herrschten, ist nun Verunsicherung und Leichtsinn eingezogen.

Dass die Offensive trotz allem nicht müde wird, sich die drei Punkte zu erkämpfen, ist der große Lichtblick in dieser Saison. Vor allem Neuzugang Victor Boniface, der mit seinem Last-Minute-Treffer die Fans in der BayArena erneut in Ekstase versetzte, zeigt, dass er nicht nur Tore schießen kann, sondern auch Nerven aus Stahl besitzt. Es war sein mittlerweile drittes wichtiges Tor in den Schlussminuten in dieser noch jungen Saison – ein echter Joker im Ärmel von Xabi Alonso. Doch während die Fans über die späte Erlösung jubelten, machte sich bei vielen ein ungutes Gefühl breit: Mit einer solchen Abwehrleistung wird es gegen die kommenden Gegner – allen voran Bayern München – schwer werden.

Natürlich ist es schön, wenn die Offensive blendend funktioniert. Spieler wie Florian Wirtz oder Patrik Schick sorgen regelmäßig für magische Momente, die einen aus den Sitzen reißen. Aber wenn hinter ihnen die Verteidigung derart wackelt, muss man sich fragen, wie lange dieser Drahtseilakt gut geht. Schon gegen RB Leipzig gab es drei Gegentore – nun wieder gegen Wolfsburg. Man hat das Gefühl, dass in Leverkusen noch immer keine richtige Balance gefunden wurde. Die Dominanz im Ballbesitz und die Kreativität nach vorne stehen im Gegensatz zur anfälligen Defensive, die sich regelmäßig selbst ins Abseits manövriert.

Was also tun? Xabi Alonso und seine Mannschaft stehen nun vor einer entscheidenden Phase. Mit dem anstehenden Auswärtsspiel beim FC Bayern München und dem Champions-League-Duell gegen AC Mailand warten zwei echte Prüfsteine. Die Zeit für Experimente ist vorbei. Leverkusen muss sich defensiv stabilisieren, will man nicht Gefahr laufen, in diesen Partien gnadenlos ausgekontert zu werden. Der Schlüssel wird darin liegen, das richtige Gleichgewicht zwischen Angriffslust und Abwehrdisziplin zu finden. Einfach wird das sicher nicht – aber wer Bayer 04 kennt, weiß, dass diese Mannschaft zu Überraschungen fähig ist.

Bis dahin bleibt den Fans nur die Hoffnung, dass die Werkself im Spiel gegen den Rekordmeister eine Reaktion zeigt. Vielleicht bringt die Aussicht auf ein großes Spiel ja auch die nötige Schärfe in der Defensive zurück. Eines ist jedenfalls sicher: Spannend wird es. Aber vielleicht wäre ein etwas ruhigeres Spiel fürs Nervenkostüm auch mal ganz angenehm.

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