Sonntag, 30. November 2025

Eigentlich hat man alles, was man braucht

Manchmal fühlt sich ein Spiel von Bayer 04 an wie ein IKEA-Regal: Eigentlich hat man alles, was man braucht – Ballbesitz, Chancen, schöne Einzelteile – aber am Ende steht das Ding trotzdem schief, weil irgendwo eine winzige Schraube fehlt. Gegen Dortmund waren es gleich mehrere dieser berüchtigten Kleinigkeiten, die Hjulmand nach Abpfiff seufzend erwähnte. Und wir Fans wissen: Wenn der Trainer von Kleinigkeiten spricht, dann waren es meist die großen Dinge, die uns wieder auf die Füße gefallen sind.

Dabei fing alles so an, wie wir es in Leverkusen gerne haben: Wir mit der Kugel, Dortmund hinterher. 63 Prozent Ballbesitz – das liest sich ja fast wie eine Drohkulisse. Dazu zehn Ecken, 600-plus Pässe, Latte getroffen, Chancen kreiert. Ein perfekter Abend für Statistikliebhaber. Nur doof, dass Spiele am Ende über Tore entschieden werden und nicht darüber, wer den Ball am längsten streichelt.

Dortmund dagegen spielte den Klassiker: einmal Standard, einmal Flanke, zweimal Kopfball, zweimal drin. Effizienzlevel: unangenehm hoch. Während wir im letzten Drittel wirkten, als hätten wir eine Geheimvereinbarung unterschrieben, niemals einfach abzuschließen, traf der BVB mit der Lässigkeit eines Teams, das nicht zum ersten Mal im Rheinland zu Gast ist.

Aber man muss auch sagen: Die Werkself hat Moral. Nach dem 0:2 hätte manch andere Mannschaft die Rollläden herunter gelassen – wir dagegen werfen Kofane rein, der zeigt, dass man Tore nicht nur anschaut, sondern auch reinpiken kann. Maza liefert seinen ersten Assist, und plötzlich war wieder Feuer drin. BayArena laut, Leverkusen am Drücker, Dortmund wackelt. Nur eben nicht bricht.

Und so stehen wir mal wieder da: mit dem Gefühl, eigentlich das bessere Team gewesen zu sein, und gleichzeitig mit null Punkten. Ein Klassiker der Kategorie „Niemalsmeister-Experience“. Humor ist da Pflicht, sonst wird’s gefährlich.

Zum Glück geht’s schon Dienstag weiter – wieder Dortmund, diesmal Pokal. Vielleicht finden wir bis dahin die fehlende Schraube. Oder wenigstens die Effizienz-App. Denn eins ist klar: Mannschaft, Fans, Stimmung – alles da. Es fehlt nur dieses eine kleine Ding, das die Dortmunder gestern hatten. Und wenn wir’s finden, dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.

Donnerstag, 27. November 2025

Von der Not-Elf zur Notbremse für Pep

Mal ehrlich, wer hätte das gedacht? Elf Ausfälle, Etihad Stadium, Erling Haaland auf der Bank – und trotzdem setzt Bayer 04 City so sehr unter Strom, dass sogar Pep Guardiola irgendwann die Backup-Backup-Spieler aus dem Schrank kramt. Was nach einer klassischen "Danke fürs Kommen"-Auswärtsfahrt klang, wurde ein europäischer Festabend mit allem, was die Werkself-Fanbrust höherschlagen lässt: Kampf, Kaltschnäuzigkeit, Chaosabwehr – und ein Torwart, der plötzlich wie Manuel Neuer auf Steroiden spielt.

Mark Flekken, monatelang eher ein Streitthema als ein Held, legte eine Gala hin, die selbst den DAZN-Kommentator in eine Art Rührungstrance versetzte. Neun Paraden gegen den englischen Milliardenklub? Die Queen hätte posthum applaudiert. Und während Haaland sich verwundert fragte, warum da immer ein Holländer zwischen ihm und dem Tor steht, dachte man in Leverkusen nur: „Der kann das also doch!“

Vorne wirbelten Grimaldo und Maza wie zwei, die vergessen hatten, dass das hier eigentlich ein verlorener Abend werden sollte. Und Patrik Schick? Der nimmt in letzter Zeit wieder Anlauf, um sich ins Herz der Fans zurückzuköpfen. Wenn man bedenkt, dass Maza den Assist zu seinem Treffer quasi mit einem innerlichen „Gib ihn halt einfach rein, Schicki“ flankte, bekommt man fast Tränen vor Freude. Ausgerechnet beim wohl besten Team Europas setzt unsere "Not-Not-Elf" ein Ausrufezeichen, als hätte Hjulmand ihnen vor dem Spiel gesagt: „Jungs, heute spielen wir einfach City kaputt.“

Aber bevor wir jetzt endgültig durchdrehen: Es war ein Spiel. Ein magisches, kein Frage. Aber ein Spiel. Und die Defensive hat das mit der Zitterpartie zum Schluss fast zu wörtlich genommen. Einmal tief durchatmen, bevor es in die schwarz-gelbe Doppelbelastung gegen Dortmund geht – erst Liga, dann Pokal. Wer weiß, vielleicht müssen die Westfalen ja auch bald lernen, was City gelernt hat: Diese Werkself kann mehr als schön spielen. Sie kann auch beißen. Und zwar so, dass selbst Guardiola sich fragt, ob das jetzt eigentlich schon Gruppenphasen- oder doch schon K.o.-Runde war.

Sonntag, 23. November 2025

Drei Schüsse, drei Tore, drei Punkte – und ein bisschen Zittern zum Dessert

Man kennt das ja als Bayer-Fan: Ein Spiel in Wolfsburg ist selten sexy. Viel graue Architektur, viel grauer Rasen, viel graues Spiel. Und trotzdem hat unsere Werkself dort mal so richtig Farbe rein gebracht – zumindest in Halbzeit eins. Was da auf dem Platz passiert ist, war eine Mischung aus Abgeklärtheit, Spielfreude und brutaler Effizienz. Dreimal aufs Tor geschossen, dreimal drin. Wenn das Schule macht, können wir bald unsere xG-Werte auf nostalgische Postkarten drucken.

Jonas Hofmann, Edmond Tapsoba und Malik Tillman haben den Wölfen in den ersten 33 Minuten praktisch alles genommen, was ihnen lieb war – inklusive Spielkontrolle, Zuversicht und Stadionstimmung. Das war keine Zauberei, sondern einfach erwachsener Fußball: klar im Kopf, sauber im Passspiel, eiskalt im Abschluss. Wer da nicht kurz an eine Spitzenmannschaft dachte, hat entweder noch immer Angst vor Tabellenführungen oder ein Trauma von 2000.

Und dann? Ja, dann kam wieder das, was wir halt auch kennen: die Leverkusener Nachlässigkeit ab Minute 46. Plötzlich wackelte das vorher so souveräne Gebilde, Wolfsburg traf zum 1:3, wir standen tief – und das Zittern begann. Ein zweites Gegentor lag in der Luft, zum Glück aber nicht im Netz. Danke, VAR. Danke, Flekken. Danke, Fußballgott, der offensichtlich doch noch ab und zu auf unserer Seite steht.

Trotzdem: Solche Phasen müssen nicht sein. Wenn wir dieses Jahr wirklich oben mitspielen wollen, dann reicht eine bärenstarke Halbzeit irgendwann nicht mehr. Aber: Diese Mannschaft macht Hoffnung. Da wächst was zusammen. Garcia zieht im Mittelfeld die Fäden, Hofmann blüht auf seiner Schiene auf wie ein Frühlingstag im Rheinland, und Tillman nutzt seine Chance – alles wirkt griffiger, stabiler, reifer.

Jetzt also City, dann der BVB. Zwei Spiele, in denen sich zeigt, ob wir wieder Bayer 04 sind – oder schon ein bisschen mehr. Der Sieg in Wolfsburg war ein Schritt in die richtige Richtung. Mit Fanbrille sogar ein ziemlich schöner.

Sonntag, 9. November 2025

Sechs auf einen Streich – Heidenheim besucht die Torfabrik Leverkusen

Wer nach dem Champions-League-Sieg bei Benfica gedacht hatte, die Werkself würde mit angezogener Handbremse in die Bundesliga zurückrollen, der hat wohl vergessen, dass Leverkusen derzeit Fußball zelebriert wie andere Leute Weihnachten – nur mit mehr Tempo, mehr Technik und deutlich mehr Toren. Gegen Heidenheim gab’s kein „Oh Du Fröhliche“, sondern ein flottes „Oh Du meine Güte!“ – und das gleich sechsmal.

Der 1. FC Heidenheim, von einigen vor Saisonbeginn noch romantisch als „unangenehmer Gegner“ verklärt, wurde von Bayer 04 einmal quer durch den eigenen Strafraum geschaukelt. Nach nicht mal 30 Minuten stand es 4:0. Die Gäste wirkten dabei weniger wie ein Bundesligist und mehr wie eine zufällig zusammengewürfelte Truppe, die auf dem Weg zum Mannschaftsausflug versehentlich in der BayArena abgesetzt wurde.

Patrik Schick hat endlich wieder den Schuss gefunden – und das im wahrsten Sinne. Zwei Tore in einem Spiel, eins davon eiskalt aus der Kategorie „Abstauber mit Stil“. Daneben brillierten Hofmann, Poku und der überragende Ibrahim Maza, der im Stile eines Routiniers zweimal traf, dabei aber maximal wie ein Student aussah, der sich kurz verlaufen hat – und dann einfach mitspielt. Was ein Auftritt.

Aber bei aller Euphorie: Das war Heidenheim. Keine Laufkundschaft, aber doch eher ein Bundesligazwerg. Solche Spiele sind Pflichtsiege – auch wenn das 6:0 eher wie eine Kür auf Speed wirkte. Kasper Hjulmand wirkte danach erfreut, aber nicht überdreht. Gut so. Denn nach der Länderspielpause warten Gegner, bei denen weniger Platz zum Kombinieren sein dürfte. Und vor allem: weniger Willen, sich widerstandslos abschlachten zu lassen.

Die Statistikfreunde unter uns kamen natürlich auch auf ihre Kosten: 926 gespielte Pässe – da wurde der Ball behandelt wie ein guter Rotwein: ständig im Umlauf und mit viel Gefühl. Dass Aleix Garcia davon allein 165 Pässe spielte, sagt einiges – entweder über seine Fitness oder Heidenheims Defensivverhalten. Wahrscheinlich beides.

Unterm Strich bleibt ein Heimsieg der Kategorie „unverschämt souverän“. Und während die Spieler nun auf Länderspielreisen geschickt werden, bleibt uns Fans ein Grinsen im Gesicht und die Frage: Ist das jetzt unser neuer Normalzustand? Leverkusen als Tormaschine, als Rekordjäger, als Spaßverein mit Meisterambitionen? Klingt absurd – aber verdammt nochmal, es fühlt sich richtig an.

Donnerstag, 6. November 2025

Schick gemacht

Mittwochabend in Lissabon – und Bayer 04 liefert endlich den ersten Dreier in der Champions League. Kein Spektakel, kein Offensivfeuerwerk, aber ein Sieg, der sich anfühlt wie ein Balsam nach dem Bayern-Debakel. Es war das klassische „hässlich, aber effektiv“-Spiel – und nach dem 0:3 in München auch genau das, was wir gebraucht haben.

Statt Zauberfußball gab’s diesmal Betonmischer-Romantik: Grätschen, Kämpfen, Klären. Und mittendrin ein Mark Flekken, der sich von Minute zu Minute mehr in Richtung Legendenstatus hechtete. Dass Benfica am Ende 21 Schüsse abfeuerte, aber keinen einzigen reinbrachte, spricht Bände – oder eben für unsere neu entdeckte defensive Leidensfähigkeit.

Und vorne? Da kommt plötzlich Patrik Schick von der Bank, köpft das Ding rein – und das war’s. Fertig ist der Auswärtssieg. Dass er im ersten Versuch noch am Keeper scheiterte, war ihm egal. Der Nachschuss mit dem Kopf saß – typisch Schick halt: nicht viel gesehen, aber dann eben im entscheidenden Moment da. Man nennt sowas auch Champions-League-Reife.

Natürlich war das Spiel kein Leckerbissen. Aber ehrlich gesagt: Uns doch wurscht. Mit einer Startelf, deren Altersdurchschnitt knapp über dem Jugendticket liegt, muss man nicht jedes Spiel dominieren – da reicht es auch mal, einfach dreckig zu gewinnen. Und wenn selbst ein Malik Tillman nach Wochen Verletzungspause gleich wieder stabil aussieht, kann man nur sagen: Es lebt, das Team. Und es lernt.

Also ja, Benfica hatte mehr Ballbesitz, mehr Abschlüsse, mehr Druck. Bayer hatte Schick, Flekken – und die drei Punkte. Und die nimmt uns in dieser Gruppe jetzt erstmal keiner mehr weg.

Sonntag, 2. November 2025

889 Tage Sonnenschein – und dann kommt München

Irgendwann musste es ja passieren. 37 Bundesliga-Auswärtsspiele ohne Niederlage sind schließlich keine kosmische Selbstverständlichkeit – und wenn eine Serie dieser Größenordnung reißt, dann natürlich stilecht in München. Gegen einen FC Bayern, der vor dem Spiel noch mit mehr Rotation als ein Karussell auf dem Jahrmarkt überraschte. Und gegen eine Werkself, die in der ersten Halbzeit offensichtlich den Reißverschluss ihrer Defensivjacke offen gelassen hatte.

Drei Dinger bis zur Pause – da hilft auch kein „aber wir hatten doch Chancen“. Ja, hatten wir. Echeverri sah in der Anfangsphase sogar so frech aus, dass man kurz dachte, Messi habe sich in einen argentinischen Teenager zurückverwandelt. Aber was nutzt der Zauberfuß, wenn die Defensive hinten auf Harry-Potter-Modus umschaltet und „unsichtbar“ spielt? Der Steilpass auf Gnabry war ebenso fein wie das Tor einfach. Beim 0:2 hätte ein Bierbecher mehr Gegenwehr gezeigt als unsere Zuordnung in der Box. Und das 0:3? Klassisches Eigentor à la „Hätte nicht passieren müssen, ist aber halt passiert.“

Hjulmand nahm es sportlich – Fehler erkannt, Game-Management ausbaufähig, Analyse folgt. Klar, man muss nach einer Klatsche nicht gleich die Kirche anzünden. Aber es bleibt eben der fade Beigeschmack, dass Bayern uns wie so oft nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Spielkontrolle überlegen war. Da helfen auch 55 Prozent gewonnene Zweikämpfe nicht, wenn man trotzdem dreimal hinter sich greifen muss.

Trotzdem: Einmal verlieren ist erlaubt, solange man daraus lernt. Die Serie ist vorbei, aber sie war historisch. 889 Tage ohne Auswärtsniederlage in der Liga – das schreibt sich keiner mal eben so auf den Bierdeckel. Jetzt geht’s nach Lissabon und dann gegen Heidenheim. Klingt nach einer guten Gelegenheit, das eigene Ego sanft zu polieren und die Fehler mit Punkten zu überdecken.