Sonntag, 2. November 2025

889 Tage Sonnenschein – und dann kommt München

Irgendwann musste es ja passieren. 37 Bundesliga-Auswärtsspiele ohne Niederlage sind schließlich keine kosmische Selbstverständlichkeit – und wenn eine Serie dieser Größenordnung reißt, dann natürlich stilecht in München. Gegen einen FC Bayern, der vor dem Spiel noch mit mehr Rotation als ein Karussell auf dem Jahrmarkt überraschte. Und gegen eine Werkself, die in der ersten Halbzeit offensichtlich den Reißverschluss ihrer Defensivjacke offen gelassen hatte.

Drei Dinger bis zur Pause – da hilft auch kein „aber wir hatten doch Chancen“. Ja, hatten wir. Echeverri sah in der Anfangsphase sogar so frech aus, dass man kurz dachte, Messi habe sich in einen argentinischen Teenager zurückverwandelt. Aber was nutzt der Zauberfuß, wenn die Defensive hinten auf Harry-Potter-Modus umschaltet und „unsichtbar“ spielt? Der Steilpass auf Gnabry war ebenso fein wie das Tor einfach. Beim 0:2 hätte ein Bierbecher mehr Gegenwehr gezeigt als unsere Zuordnung in der Box. Und das 0:3? Klassisches Eigentor à la „Hätte nicht passieren müssen, ist aber halt passiert.“

Hjulmand nahm es sportlich – Fehler erkannt, Game-Management ausbaufähig, Analyse folgt. Klar, man muss nach einer Klatsche nicht gleich die Kirche anzünden. Aber es bleibt eben der fade Beigeschmack, dass Bayern uns wie so oft nicht nur auf dem Platz, sondern auch in der Spielkontrolle überlegen war. Da helfen auch 55 Prozent gewonnene Zweikämpfe nicht, wenn man trotzdem dreimal hinter sich greifen muss.

Trotzdem: Einmal verlieren ist erlaubt, solange man daraus lernt. Die Serie ist vorbei, aber sie war historisch. 889 Tage ohne Auswärtsniederlage in der Liga – das schreibt sich keiner mal eben so auf den Bierdeckel. Jetzt geht’s nach Lissabon und dann gegen Heidenheim. Klingt nach einer guten Gelegenheit, das eigene Ego sanft zu polieren und die Fehler mit Punkten zu überdecken.

Donnerstag, 30. Oktober 2025

Pokalfight mit Herzinfarktgarantie: Grimaldo zirkelt, Maza netzt, Bayer lebt!

Manchmal, wenn du glaubst, du hast im Fußball schon alles gesehen, kommt Bayer 04 um die Ecke und sagt: „Hold my Pils.“ Pokalabende wie der in Paderborn sind der Grund, warum wir uns immer wieder freiwillig diesen emotionalen Schleudergängen aussetzen. Es war alles da: Drama, Flüche, Erlösung.

Die Werkself spielte über 120 Minuten wie ein Team, das irgendwie gleichzeitig müde, übermotiviert und technisch überlegen war – eine gefährliche Mischung. Natürlich kontrollierten wir das Spiel. Natürlich hatten wir 70 Prozent Ballbesitz. Und natürlich reichte das alles nicht aus, um diesen tapfer kämpfenden Paderbornern die frühzeitige Pokalruhe zu gönnen. Stattdessen wurden wir bestraft – von einem Ausgleich in Minute 90, einem Rückstand in Minute 96 und unseren eigenen Nerven.

Aber genau dann kam wieder dieses irre Leverkusen, das in der Nachspielzeit plötzlich aufwacht wie der Typ auf der Party, der um 3 Uhr morgens noch Karaoke singt, obwohl er schon um Mitternacht nach Hause wollte. Quansah mit dem 2:2 kurz vor dem Pausenpfiff der Verlängerung – typisch für diese Mannschaft, die selbst mit leerem Tank noch irgendwie auf Angriff gepolt ist. Und dann Ibrahim Maza. Wer ihn bislang nur als Talent auf dem Spielberichtsbogen kannte, kennt ihn jetzt als Retter mit Killerinstinkt. 120.+2. Ein Moment für die Ewigkeit – zumindest bis Samstag.

Denn ja, bei aller Euphorie: Die zweite Halbzeit der regulären Spielzeit war ein Mahnmal dafür, wie schnell Kontrolle in Chaos kippen kann. Unsere Defensivarbeit war, gelinde gesagt, optimistisch. Hjulmand bemängelte zu Recht das Pressing und die Ballverluste. Aber ehrlich: Wenn man am Ende gewinnt, darf man auch mal ein bisschen schönreden. Das ist schließlich das Grundrecht jedes Fußballfans.

Fazit? Achtelfinale erreicht, Mentalität gezeigt, Maza entdeckt. Und trotzdem ein paar Fragezeichen vor dem Trip nach München. Denn gegen Bayern werden sich solche Aussetzer nicht mit einer letzten Windböe wegzaubern lassen. Aber wer in Paderborn den Sieg in der letzten Sekunde klaut, dem ist halt auch in der Allianz Arena alles zuzutrauen – zumindest bis zur 90.+4. Und dann netzt wieder einer. Ganz wie früher.

Montag, 27. Oktober 2025

Zwei Tore, null Gegentore, ganz viel Selbstvertrauen

Was tun, wenn man ein Champions-League-Spiel in Paris verloren hat? Genau: Man spielt Freiburg einfach mal schwindelig. Die Werkself hat sich am Sonntag mit einer Selbstverständlichkeit zurückgemeldet, die man sonst nur von sehr selbstbewussten Tanzpaaren im „Let’s Dance“-Finale kennt. 2:0 gegen den SC Freiburg, vierter Ligasieg in Serie – und dabei nicht mal ins Schwitzen gekommen. Wenn man ehrlich ist: Das war nicht einfach ein Bundesliga-Spiel, das war eine Machtdemonstration mit Ansage. Wir sind zurück. Als hätten wir Paris nie gesehen.

Schon in den ersten Minuten, als Flekken gegen seine alten Kollegen zweimal stark parieren musste, konnte man es ahnen: Heute wird's kein gemütlicher Spaziergang. Doch danach? Fast schon Bayer-typisch: Ball sichern, Gegner zermürben, präzise zuschlagen. Einmal Doppelpass Garcia und Poku – zack, 1:0. Einmal Grimaldo-Flanke auf Tapsoba – bumm, 2:0. Wenn Tore so leicht aussehen, weißt du: Die Mannschaft ist im Flow.

Apropos Flow – was Ernest Poku da gerade Woche für Woche abzieht, ist ein kleines Fußballmärchen. Drei Tore in vier Spielen, und das nicht irgendwie, sondern mit Tempo, Spielwitz und Abschlussqualität. Während wir uns noch über seine Entwicklung freuen, ist der Junge auf dem besten Weg, ein fester Bestandteil unserer Offensive zu werden. Und Garcia? Der hat inzwischen vermutlich einen Kompass im Fuß. Der Spanier spielt Pässe, bei denen selbst Google Maps nachfragen würde, wie er das gemacht hat.

Garcia ist mittlerweile so zentral im Bayer-Spiel, dass man sich fragt, wie wir überhaupt ohne ihn ausgekommen sind. Rhythmus, Übersicht, Spielintelligenz – der Typ hat das komplette Ballbesitzspiel auf CD gebrannt und spielt’s jetzt in Dauerschleife ab. Dass Tapsoba nach dem Spiel zu Co-Trainer Meijer rannte, um seinen Kopfballjubel zu teilen, zeigt übrigens auch: In der Mannschaft stimmt’s. Da wird nicht nur gut gespielt – da wird auch gut gearbeitet.

Freiburg? Ehrlich gesagt: Hatten keine Chance. Klar, Anfangsphase okay, aber nach dem 1:0 wurde’s ein Nachmittag zum Vergessen für die Breisgauer. Selbst in Überzahl hätten sie vermutlich keinen Fuß mehr auf den Rasen bekommen – dumm nur, dass sie ab der 74. in Unterzahl waren. Lienhart musste nach einem Foul an Maza mit Gelb-Rot runter, und das war’s dann endgültig mit jeder Freiburger Hoffnung.

Und dann war da noch: das Schick-Comeback. Über vier Wochen verletzt, jetzt zurück auf dem Platz – noch nicht entscheidend, aber allein sein Name auf dem Spielberichtsbogen fühlt sich gut an. Wenn er wieder voll fit ist, kann's ganz schnell wieder klingeln.

Unterm Strich: souverän, abgezockt, reif. Das war nicht spektakulär, aber extrem erwachsen. Und das Beste daran: Es kommt genau zur richtigen Zeit. Denn jetzt geht’s im Pokal nach Paderborn – und danach zu den Bayern. Aber mit dieser Werkself? Da ist alles möglich. Nein, wir sind nicht übermütig. Wir sind nur optimistisch. Und das darf man als Fan ja wohl mal sein.

Mittwoch, 22. Oktober 2025

Paris hat uns den Stecker gezogen

Es gibt Niederlagen, die tun weh – und dann gibt es ein 2:7 gegen Paris Saint-Germain. So ein Abend, an dem du dir als Bayer-Fan irgendwann wünschst, der Schiedsrichter würde einfach mal Gnade vor Nachspielzeit walten lassen. Das Ergebnis liest sich schlimmer, als es in Teilen war – aber es war auch genau so schlimm, wie es sich liest. Ein gebrauchter Abend, der nüchtern zeigt, dass zwischen „auf dem Weg“ und „auf Augenhöhe“ im europäischen Fußball noch ein weiter Weg liegt.

Natürlich, PSG ist ein Monster. Titelverteidiger, mit Spielern, die wahrscheinlich schon in der Jugend den Ball lieber als ihre Hausaufgaben hatten. Aber das erklärt nicht alles. Denn nach dem ordentlichen Start, der vergebenen Elferchance und dem zwischenzeitlichen 1:1 hatte die Werkself nicht nur den Anschluss, sondern auch komplett die Ordnung verloren. Drei Gegentore in sechs Minuten – das ist keine individuelle Klasse des Gegners mehr, das ist kollektives Wegnicken. So eine Phase darf dir international einfach nicht passieren, auch nicht mit einem Mann weniger.

Hjulmand spricht von „Entwicklung“ und „Aufbau“ – völlig richtig. Aber Entwicklung funktioniert nur, wenn man die Baustellen auch wirklich als solche erkennt. Defensiv hat Bayer 04 in diesem Spiel alles vermissen lassen, was in Mainz zuletzt noch funktionierte: Kompaktheit, Zweikampfstärke, Balance. Und wenn dann auch noch die Nerven flattern, kommt eben so ein Ergebnis zustande, das selbst in der Champions League eher selten ist.

Die rote Karte gegen Andrich war sicher unglücklich, aber auch ein Spiegelbild des Abends: zu spät, zu hektisch, zu viel Aktionismus. Paris hat das gnadenlos ausgenutzt. Jeder Fehler wurde bestraft, jeder Ballverlust zur Einladung. Dass Garcia mit zwei schönen Treffern wenigstens etwas Ergebniskosmetik betrieb, ist löblich – aber es ändert nichts am Kernproblem: Wir waren nicht konkurrenzfähig.

Und ja, die Fans waren großartig. Laut, treu, fast schon rührend in ihrer Geduld. Aber irgendwann müssen wir uns als Fanbasis auch ehrlich fragen, ob wir uns mit „Aufbauprozess“ und „Schritten in die richtige Richtung“ zu lange zufriedengeben. Diese Mannschaft hat Qualität, keine Frage. Aber sie hat auch das Talent, in großen Spielen zu naiv zu wirken. Und wenn man international wirklich dazugehören will, reicht es eben nicht, mutig zu sein – man muss auch clever sein.

Das Gute ist: Die Saison ist lang, die Chance zur Korrektur kommt schnell. Freiburg in der Liga, Paderborn im Pokal – das sind genau die Spiele, in denen man zeigen kann, dass man aus so einem Schlag gelernt hat. Aber dafür muss die Mannschaft den Stolz wiederfinden, den sie gegen Paris irgendwo zwischen der 40. und 45. Minute verloren hat.

Ein 2:7 kann man abhaken. Aber man sollte es nicht kleinreden. Denn wer die Champions League spielen will, muss auch Champions-League-Momente aushalten – die bitteren wie die schönen. Und dieser war bitter. Richtig bitter. Doch wenn wir ehrlich sind: Solche Abende zeigen, ob der Weg wirklich nach oben führt – oder ob wir uns nur im Kreis drehen.

Sonntag, 19. Oktober 2025

Terrier, Tore, Trubel: Warum Mainz uns nicht stoppen konnte – auch nicht mit drei Buden

Na bitte, geht doch! Wer gedacht hat, dass Bayer 04 nach dem Pflichtsieg gegen Union langsam wieder in den gemütlichen Verwaltungsmodus schaltet, der wurde in Mainz ziemlich schnell eines Besseren belehrt. Oder besser gesagt: überrollt. Nicht nur vom eigenen Puls nach 90 wilden Minuten, sondern auch von einer Werkself, die aktuell Fußball spielt wie früher nur auf der PlayStation – mit Cheatcodes. Ein 4:3, das auf dem Papier vielleicht nach Wackelsieg klingt, war in Wirklichkeit das neueste Kapitel im schwarz-roten Buch der „kontrollierten Offensive mit gelegentlichem Wahnsinn“.

Aber fangen wir von vorn an. Denn dieses Spiel hatte alles, was ein Bayer-Fanherz höher schlagen lässt: frühe Führung, Zauber-Kombinationen, einen Franzosen mit Comeback-Gen, einen Grimaldo im Duracell-Modus – und am Ende das, was zählt: drei Punkte im Rucksack und Mainz um eine Heimparty gebracht.

Natürlich war es nicht einfach. Mainz hatte Lust, Bälle, Beine – und leider auch ein paar Tore. Aber in Wahrheit war das ein Spiel, das Bayer in seiner aktuellen Verfassung gar nicht mehr verlieren kann. Klar, in der Schlussphase war’s etwas wild, als die 05er nochmal mit dem Mut der Verzweiflung anrannten, aber spätestens als Martin Terrier nach neun Monaten Verletzungspause (!) bei seinem ersten Ballkontakt fast aus Prinzip das Netz zappeln ließ, war klar: Diese Mannschaft hat gerade einfach zu viel Qualität, zu viel Selbstvertrauen – und, man muss es sagen, auch ein bisschen zu viel Spaß am Toreschießen.

Terriers Comeback war natürlich das emotionale Sahnehäubchen – und wie er da nach seinem Tor zur Bank stürmt, das ganze Team umarmt, wahrscheinlich noch kurz mit dem Physio „Merci“ flüstert… da wurde’s sogar dem kritischsten Leverkusener warm ums Herz. Man muss kein Hobby-Psychologe sein, um zu sehen, was da gerade im Team wächst. Das wirkt alles wie ein einziger Mannschaftskuschelkurs mit Champions-League-Ambitionen.

Ach, und apropos Champions League: Bevor wir uns jetzt zu sehr auf den Sofa-Sieg gegen Freiburg freuen, kommt am Dienstag mal eben Paris Saint-Germain vorbei. Die sollen ja auch ganz passabel kicken können. Aber ehrlich gesagt – mit dieser Werkself? Warum nicht auch da was holen? Solange Grimaldo weiterhin mehr Kilometer läuft als der Bus der Auswärtsfahrer und Kofane Tore sammelt wie Panini-Sticker, ist doch alles möglich. Und hey: wenn Hofmann jetzt auch wieder richtig dabei ist und Andrich still und heimlich Bundesliga-Auswärtsrekorde knackt wie andere Leute Kronkorken, dann wächst da gerade etwas zusammen, das man schon fast ungern ausspricht: ein richtig reifes Team.

Das Wort „Meisterschaft“ geht uns natürlich nach wie vor schwer über die Lippen. Nicht wegen fehlender Qualität – sondern weil wir auf niemalsmeister.de nun mal wissen, dass Demut zum Fan-Dasein gehört wie die Stadionwurst zur Halbzeit. Aber: Wenn man ehrlich ist, dann fühlt sich das gerade so an, als würde die Werkself Woche für Woche ein bisschen mehr beweisen, dass sie das mit der Tabellenoberkante doch ziemlich ernst meint.

Also ja, Mainz war nervenaufreibend, turbulent, stellenweise etwas vogelwild. Aber unterm Strich bleibt: Wir haben wieder gewonnen. Auswärts. Mit einem zurückgekehrten Terrier, einem Grimaldo im Dauerflug und einem Kofane, der scheinbar vergessen hat, dass er eigentlich noch zur Schule gehen müsste.

Und ganz nebenbei schreiben wir weiter an dieser Rekordserie ohne Auswärtsniederlage – 37 Spiele jetzt. Vielleicht wird’s Zeit, dass wir anfangen, auswärts einfach mal ein Banner aufzuhängen: „Willkommen bei Bayer 04 – Bitte keine Hoffnungen machen.“

In diesem Sinne: PSG, wir sind bereit. Nur vielleicht diesmal bitte ohne Herzinfarkt in der 90. Minute, okay?

Sonntag, 5. Oktober 2025

Berliner Mauer? Heute nicht

Manchmal wünscht man sich ja, man könnte den Fernseher anmachen und sich sagen: *So, jetzt schau ich mir ein bisschen gepflegtes Bayer-Fußball-Ballett an, entspanne mit 74 Prozent Ballbesitz und gönne mir zwei schöne Tore, während die Berliner auf dem Platz ein bisschen „Stadtführung durch den eigenen Strafraum“ bekommen.* Und genau so ein Abend war das beim 2:0 gegen Union Berlin. Schön für uns. Nicht so schön für die Gäste aus Köpenick, die sich vermutlich irgendwo zwischen Aleix Garcias Passmaschine und Poku-Kofane-Kombinationsfreude den Weg aus der BayArena heraus erst mal auf Google Maps suchen mussten.

Als Fan ist man ja vorsichtig. Besonders in Leverkusen. Man hat schon zu viel gesehen. Aber: Was diese Mannschaft unter Kasper Hjulmand da Woche für Woche auf den Rasen bringt, ist nicht nur strukturiert und stabil – das hat langsam auch was von einer gut geölten Fußball-Oper mit Bass-Bariton-Tillman, Dirigent Garcia und einem Sturmduett aus Poku und Kofane. Das Selbstvertrauen wächst, die Automatismen greifen, und langsam hat man das Gefühl, dass hier etwas ziemlich Großes entsteht. Und das ohne große Theatralik oder Show – einfach solide Arbeit mit einem Hauch Magie.

Ernest Poku scheint ohnehin nicht zu wissen, dass man als junger Spieler in der Bundesliga erstmal nervös sein müsste. Der Junge trifft einfach. Zweites Tor im zweiten Spiel? Kein Problem. Und Christian Kofane, der in der ersten Halbzeit noch Bälle festmacht wie ein Schrank in der IKEA-Ausstellung, nutzt nach der Pause mal eben einen Rönnow-Fehlpass zum 2:0. Clever? Und wie. Ein bisschen Straßenfußball-Instinkt, ein bisschen Pressing-Schule Hjulmand, und fertig ist das Bundesliga-Debüttor.

Was wirklich auffällt: Diese Mannschaft ist nicht mehr dieselbe, die wir in den letzten Jahren öfter mal mit versteinertem Blick haben Ein-Tor-Führungen verteidigen sehen – oder eben nicht verteidigen. Dieses Team spielt weiter, denkt nicht ans Absichern, sondern ans Aufdrehen. Da wird gepresst, kombiniert, gelaufen. Und ja: Da wird gelächelt. Die Spieler, die eingewechselt werden, bringen Schwung statt Sorgen. Maza mit Power, Arthur mit Übersicht, Hofmann mit dem Willen. Selbst Belocian durfte nach fast 300 Tagen Pause noch ein paar Minuten Frischluft schnuppern und helfen, den Deckel draufzusetzen. Das ist nicht nur Teamgeist, das ist Luxus – und zwar der gute, mit Schmiedekunst und Werkbank statt Rolex und Golfplatz.

Und dann war da natürlich noch die Statistik-Keule: 74 Prozent Ballbesitz, 92 Prozent Passquote, Aleix Garcia mit *153 erfolgreichen Pässen* – also mehr, als Union teilweise Ballkontakte hatte. Ich meine, man kann so ein Spiel dominieren, klar. Oder man macht’s halt wie Bayer 04 und spielt einfach eine Stunde lang „Ballbesitz-Monopoly“ mit dem Gegner, bei dem der andere nie über Los kommt.

Ach ja, und an der Zweikampf-Front ist man auch weiter Liga-Primus. Danke, Jarell Quansah – 71 gewonnene Duelle sind eine Ansage. Wer an dem vorbei will, braucht entweder eine Drehleiter oder sehr viel Glück. Oder beides.

Dass Grimaldo und Vázquez zur Pause raus mussten, war schade, aber wie beruhigend ist es bitte, wenn man bei einem Ausfall denkt: *Na gut, dann kommt halt Arthur oder Maza rein.* Früher hätte man bei solchen Auswechslungen in der Halbzeit noch prophylaktisch den Puls gemessen. Heute klopft man sich als Fan seelenruhig das Kissen zurecht und denkt: *Wird schon.*

Also ja – gegen Union Berlin war das bisher der souveränste Auftritt der Saison. Nicht weil es ein Feuerwerk war, sondern weil man den Gegner einfach kontrolliert, zermürbt und zum Schluss noch freundlich zur Ausfahrt begleitet hat. Ohne Drama, ohne Zittern, aber mit viel Klasse. Und das vor ausverkauftem Haus, mit 30.210 Menschen, die lauter waren als jede Trompete in der Fankurve von Union.

Die nächsten Gegner dürfen sich warm anziehen. Und wir? Wir gönnen uns eine Länderspielpause mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem klaren Gedanken im Kopf: Diese Mannschaft will nicht nur mitspielen – die will was reißen.

Und wer weiß? Vielleicht wird die Saison 2025/26 ja die, in der wir das Wort „Niemalsmeister“ irgendwann mit einem Augenzwinkern schreiben. Noch ist es zu früh, klar. Aber: Vertrauen wächst. Und wie.

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Unentschieden deluxe – Wenn die Werkself auf holländische Gemütlichkeit trifft

Na bravo. Zweites Champions-League-Spiel, zweites Remis – Leverkusen bleibt also auch 2025/26 in der Königsklasse seiner Spezialdisziplin treu: Gut spielen, schön kombinieren, alles im Griff haben – und am Ende trotzdem nur einen Punkt mitnehmen. Man möchte fast glauben, es stecke System dahinter. Gegen PSV Eindhoven war es wieder ein Spiel, das alle Zutaten eines großen europäischen Abends hatte: Flutlicht, Spannung, Latte, Lamentieren. Nur das Sahnehäubchen, der verdiente Sieg, der blieb irgendwo zwischen Kofanes Jubel und Saibaris Ausgleich stecken.

Dabei begann alles mit einem kurzen Schrecken: Ivan Perisic, der Fußball-Dauerbrenner mit der ewigen Bundesliga-Vergangenheit, köpfte den Ball nach fünf Minuten ins Netz – und zum Glück ins Abseits. Danach war eigentlich alles angerichtet für eine souveräne Leverkusener Vorstellung. Die Jungs spielten, als hätte Hjulmand ihnen die Spielfreude intravenös verabreicht. Grimaldo drosch einen Ball an die Latte, Poku tanzte die PSV-Abwehr wie auf einem Rave in Eindhoven aus, und Garcia schoss aus der Distanz, als hätte er den Ball persönlich beleidigt. Nur eben: kein Tor.

Das änderte sich in der 65. Minute, als Christian Kofane – jung, schnell, unverschämt cool – einfach mal PSV-Verteidiger Obispo auf den falschen Fuß erwischte und zur Führung einschob. Mit 19 Jahren und 67 Tagen der jüngste Leverkusener Torschütze in der Champions-League-Geschichte. Man hätte ihm am liebsten sofort einen eigenen Wikipedia-Artikel geschrieben. Leider hielt der historische Moment nur bis Minute 72, als Saibari den Spielstand wieder egalisierte. Und da war’s wieder, dieses typische Leverkusener Gefühl: Man weiß genau, dass das Team alles richtig macht, aber das Fußballuniversum trotzdem schulterzuckend ein „Nö“ zurückgibt.

Natürlich war es kein schlechtes Spiel – im Gegenteil. Diese Mannschaft spielt unter Hjulmand weiterhin Fußball, den man sich gern anschaut, und zwar selbst dann, wenn die Nachbarn schon im Bett sind. Tempo, Technik, Teamgeist – das alles stimmt. Nur die berühmte „letzte Konsequenz“, von der der Coach nach Abpfiff sprach, blieb eben wieder irgendwo im Sechzehner liegen, wahrscheinlich direkt neben dem Schienbeinschoner von Tillman.

Was man aber wirklich hervorheben muss: Diese jungen Wilden! Poku, Kofane, Tape – das klingt fast wie eine neue Boyband aus dem Rheinland, und sie spielen mit einer Begeisterung, die ansteckend ist. Wenn die weiter so auftreten, muss man sich um die Zukunft keine Sorgen machen. Tape musste zwar verletzt runter, aber bis dahin zeigte er, warum man ihm zutraut, langfristig eine Säule in der Dreierkette zu werden. Und Kofane? Der Junge hat so abgeklärt getroffen, als wäre er schon seit Jahren Stammkraft – und nicht gerade erst in die Königsklasse hineingeschlüpft.

Am Ende bleibt also ein 1:1, das sich irgendwie nach Sieg anfühlt – zumindest bis man auf die Tabelle schaut. Aber hey, ungeschlagen ist ungeschlagen, und die Werkself bleibt damit auch im achten Duell mit niederländischen Teams ohne Niederlage. Kleine Trostpflaster sind auch Pflaster.

Jetzt also Union Berlin. Klingt nach weniger Glanz, aber nach mehr Grätschen – und vielleicht ja nach dem passenden Ort, um das Torekonto mal ordentlich aufzufüllen. Denn eines ist klar: Diese Mannschaft hat mehr verdient als zwei Unentschieden. Wenn sie bald wieder so spielt wie gegen Eindhoven, nur mit einem Quäntchen mehr Konsequenz, dann braucht man sich in Leverkusen keine Sorgen machen – höchstens um den Herzschlag in der 90. Minute.

Bis dahin gilt: Wir sind nicht Meister, aber immerhin unterhaltsam. Und das ist in Leverkusen ja fast schon Tradition.