Manchmal wünscht man sich ja, man könnte den Fernseher anmachen und sich sagen: *So, jetzt schau ich mir ein bisschen gepflegtes Bayer-Fußball-Ballett an, entspanne mit 74 Prozent Ballbesitz und gönne mir zwei schöne Tore, während die Berliner auf dem Platz ein bisschen „Stadtführung durch den eigenen Strafraum“ bekommen.* Und genau so ein Abend war das beim 2:0 gegen Union Berlin. Schön für uns. Nicht so schön für die Gäste aus Köpenick, die sich vermutlich irgendwo zwischen Aleix Garcias Passmaschine und Poku-Kofane-Kombinationsfreude den Weg aus der BayArena heraus erst mal auf Google Maps suchen mussten.
Als Fan ist man ja vorsichtig. Besonders in Leverkusen. Man hat schon zu viel gesehen. Aber: Was diese Mannschaft unter Kasper Hjulmand da Woche für Woche auf den Rasen bringt, ist nicht nur strukturiert und stabil – das hat langsam auch was von einer gut geölten Fußball-Oper mit Bass-Bariton-Tillman, Dirigent Garcia und einem Sturmduett aus Poku und Kofane. Das Selbstvertrauen wächst, die Automatismen greifen, und langsam hat man das Gefühl, dass hier etwas ziemlich Großes entsteht. Und das ohne große Theatralik oder Show – einfach solide Arbeit mit einem Hauch Magie.
Ernest Poku scheint ohnehin nicht zu wissen, dass man als junger Spieler in der Bundesliga erstmal nervös sein müsste. Der Junge trifft einfach. Zweites Tor im zweiten Spiel? Kein Problem. Und Christian Kofane, der in der ersten Halbzeit noch Bälle festmacht wie ein Schrank in der IKEA-Ausstellung, nutzt nach der Pause mal eben einen Rönnow-Fehlpass zum 2:0. Clever? Und wie. Ein bisschen Straßenfußball-Instinkt, ein bisschen Pressing-Schule Hjulmand, und fertig ist das Bundesliga-Debüttor.
Was wirklich auffällt: Diese Mannschaft ist nicht mehr dieselbe, die wir in den letzten Jahren öfter mal mit versteinertem Blick haben Ein-Tor-Führungen verteidigen sehen – oder eben nicht verteidigen. Dieses Team spielt weiter, denkt nicht ans Absichern, sondern ans Aufdrehen. Da wird gepresst, kombiniert, gelaufen. Und ja: Da wird gelächelt. Die Spieler, die eingewechselt werden, bringen Schwung statt Sorgen. Maza mit Power, Arthur mit Übersicht, Hofmann mit dem Willen. Selbst Belocian durfte nach fast 300 Tagen Pause noch ein paar Minuten Frischluft schnuppern und helfen, den Deckel draufzusetzen. Das ist nicht nur Teamgeist, das ist Luxus – und zwar der gute, mit Schmiedekunst und Werkbank statt Rolex und Golfplatz.
Und dann war da natürlich noch die Statistik-Keule: 74 Prozent Ballbesitz, 92 Prozent Passquote, Aleix Garcia mit *153 erfolgreichen Pässen* – also mehr, als Union teilweise Ballkontakte hatte. Ich meine, man kann so ein Spiel dominieren, klar. Oder man macht’s halt wie Bayer 04 und spielt einfach eine Stunde lang „Ballbesitz-Monopoly“ mit dem Gegner, bei dem der andere nie über Los kommt.
Ach ja, und an der Zweikampf-Front ist man auch weiter Liga-Primus. Danke, Jarell Quansah – 71 gewonnene Duelle sind eine Ansage. Wer an dem vorbei will, braucht entweder eine Drehleiter oder sehr viel Glück. Oder beides.
Dass Grimaldo und Vázquez zur Pause raus mussten, war schade, aber wie beruhigend ist es bitte, wenn man bei einem Ausfall denkt: *Na gut, dann kommt halt Arthur oder Maza rein.* Früher hätte man bei solchen Auswechslungen in der Halbzeit noch prophylaktisch den Puls gemessen. Heute klopft man sich als Fan seelenruhig das Kissen zurecht und denkt: *Wird schon.*
Also ja – gegen Union Berlin war das bisher der souveränste Auftritt der Saison. Nicht weil es ein Feuerwerk war, sondern weil man den Gegner einfach kontrolliert, zermürbt und zum Schluss noch freundlich zur Ausfahrt begleitet hat. Ohne Drama, ohne Zittern, aber mit viel Klasse. Und das vor ausverkauftem Haus, mit 30.210 Menschen, die lauter waren als jede Trompete in der Fankurve von Union.
Die nächsten Gegner dürfen sich warm anziehen. Und wir? Wir gönnen uns eine Länderspielpause mit einem breiten Grinsen im Gesicht und einem klaren Gedanken im Kopf: Diese Mannschaft will nicht nur mitspielen – die will was reißen.
Und wer weiß? Vielleicht wird die Saison 2025/26 ja die, in der wir das Wort „Niemalsmeister“ irgendwann mit einem Augenzwinkern schreiben. Noch ist es zu früh, klar. Aber: Vertrauen wächst. Und wie.
Sonntag, 5. Oktober 2025
Berliner Mauer? Heute nicht
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen