Samstag, 30. August 2025

Wie man in Überzahl in Bremen zwei Punkte liegen lässt

Es gibt Fußballspiele, bei denen du nach 90 Minuten dasitzt, in dein alkoholfreies (ja, ehrlich!) Bier starrst und dich fragst: Was zur Hölle ist da gerade passiert? Willkommen in Bremen. Willkommen in der Bundesliga-Saison 2025/26. Willkommen bei Bayer 04 Leverkusen, dem Klub, der sogar in Überzahl in der Nachspielzeit noch für Herzrhythmusstörungen sorgt.

Dabei fing alles so herrlich an. Nathan Tella, frisch getankt mit nordrhein-westfälischem Kerosin, pflügte durch Bremens Abwehr wie ein Freisteller durch Photoshop. Pass zurück auf Schick, der sich nicht zweimal bitten ließ – zack, 1:0. Fünfte Minute. Werder noch in der Aufwärmphase. Schöner Start, dachten wir Fans. Endlich ein Zeichen nach der Auftaktpleite gegen Hoffenheim.

Doch weil wir Leverkusener sind, wissen wir: Kein Spiel ohne Drama. Und weil der Fußballgott ein bekanntes Faible für hanseatische Last-Minute-Wahnsinnspartien hat, ahnten wir: Das hier wird kein ruhiger Ausflug an die Weser.

Zunächst aber ging’s ganz in Ordnung weiter. Malik Tillman – gerade frisch im Bayer-Dress – jonglierte sich bei seinem Debüttor durch den Bremer Strafraum, als hätte er auf dem Kirmesplatz vor der BayArena seine Ausbildung gemacht. Brust, Schulter, Volley – Tor. 2:0. Da schien das Spiel in trockenen Tupperdosen.

Doch dann kam der Elfmeter. Natürlich. Tape in einer Mischung aus Eifer, Naivität und VAR-Glückslos rutschte in den Gegner, der dankend annahm. Bremen verwandelte eiskalt. Pause. Unruhe im Fanblock, aber noch keine Panik. Wir kennen das.

Und wieder ging’s stark los: Schick verwandelte seinen zweiten Elfer des Tages so locker, als wär’s ein Trainingsspiel. Bremen nur noch zu zehnt, Bayer 04 mit Rückenwind und Ballkontrolle. Eigentlich alles angerichtet für den ersten Saisonsieg. Eigentlich.

Aber dann kam der Klassiker: Wenn man denkt, man hat alles im Griff, macht man halt hinten auf einmal wieder auf. Flekken mit der Orientierung eines Kölner Karnevalswagens im Schneegestöber, Schmidt nutzt’s eiskalt – 3:2. Und während wir noch diskutierten, ob es wirklich ein Rückpass war oder Flekken einfach mal den “Abenteuer-Button” gedrückt hatte, drückte Bremen wieder. Und dann – na klar – 90.+4. Coulibaly. Der Junge, der vorher das 0:1 eingeleitet hatte, steht goldrichtig und macht das 3:3. Karma in seiner spektakulärsten Form.

Was bleibt? Ein Spiel, das Bayer 04 zweimal klar geführt hat – und am Ende nur einen Punkt mitnimmt. Und das nicht, weil Werder so unfassbar überragend war. Sondern weil wir es einmal mehr selbst aus der Hand gegeben haben. Spielkontrolle? Ja. Chancenverwertung? Ordentlich. Konzentration in den entscheidenden Momenten? Naja, siehe Spielminute 90.+4.

Vielleicht ist das symptomatisch für diesen Sommer unter dem Bayer-Kreuz. Kader im Umbau, System in Entwicklung, Spieler kommen, Spieler gehen, Schick trifft wieder, Tillman zündet – aber irgendwie fehlt der letzte Punch, die Abgezocktheit, die Ruhe in der Crunch Time. Und das, obwohl Erik ten Hag genau dafür geholt wurde. Vielleicht muss er seinen Jungs demnächst einfach mal erzählen, dass ein Spiel nach dem 3:1 nicht automatisch gewonnen ist – erst recht nicht, wenn du auswärts in Bremen bist und der Gegner ausgerechnet Coulibaly heißt.

Aber hey: Immerhin ist Bayer auch im 35. Auswärtsspiel in Folge ungeschlagen geblieben. Wenn das mal nicht nach Rekord riecht! Leider fühlt es sich trotzdem mehr wie ein Punktverlust als wie ein Punktgewinn an. Und zwar so sehr, dass man fast hoffen möchte, dass die Länderspielpause ein bisschen Ruhe reinbringt – in die Mannschaft, in den Kopf und in unsere vielgeplagte Bayer-Seele.

Am 12. September 2025 kommt Frankfurt. Zuhause. Flutlicht. BayArena. Es wäre ein guter Zeitpunkt, um mit der Saison wirklich zu beginnen. Und diesmal dann bitte mit einem Sieg.

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